Hirtenberger: Ein traditioneller Rüstungsbetrieb schliesst

1. Weltkrieg

Wie vergangenen Montag bekannt wurde, gibt die Hirtenberger Defence Europe GmbH die Munitionsproduktion auf. Der Verkauf der Munitionssparte ist laut Geschäftsführer Markus Haidenbauer fix. Das Traditionsunternehmen wurde 1860 im Bezirk Baden gegründet und durchlebte eine bewegte Geschichte.

k.u.k. ärarische Schießwollanstalt


Erstmals 1851 siedelte sich die “K&K ärarische Schießwollanstalt” in Hirtenberg im Triestingtal an. Später wurde an diesem Ort ein staatlicher Munitionsbetrieb eingerichtet, der die österreichische Artillerie mit Cellulosenitrat (Schießbaumwolle) versorgte. Später gründete der gelernte Drechsler Serafin Keller, der in Hirtenberg arbeitete, eine eigene kleine Fabrik. 1860 wurde die “Patronenfabrik Serafin Keller” gegründet und arbeitete von nun an sehr eng mit der “K&K ärarische Schießwollanstalt” zusammen. 1863 wurden auf zugekauften Grundstücken weitere Werke eröffnet. Produziert wurden Metallpatronen für das Militär und ab 1870 auch Handfeuerwaffen.

Ludwig Mandl kaufte die Hälfte der Firmenliegenschaft, und das Unternehmen firmierte 1887 zur “Hirtenberger Patronen-, Zündhütchen- und Metallwarenfabrik Keller & Compagnie”. Serafin Keller und Fridolin Keller stiegen nacheinander aus dem Unternehmen aus. Nachdem Ludwig Mandel verstorben war, trat Alexander Mandl 1894 in das Unternehmen ein. 1898 ging die Gesellschaft als Aktiengesellschaft an die Wiener Börse. Die “Hirtenberger Patronenfabrik” fertigte zu jener Zeit täglich etwa 750.000 Patronenhülsen, 1.000.000 Zündhütchen und 500.000 Mantelgeschosse.

Mit 2600 Mitarbeitern zählte die “Hirtenberger AG” zum zweitgrößten Munitionswerk in Österreich nach der Firma “Roth”. 1904 orderte Russland das Kaliber “7,62 mm Mosin-Nagant” während des Russisch-Japanischen Krieges und die Exporte der Firma stiegen stetig. 1909 wurde Karel Krnka Chefentwickler und konstruierte die erste Selbstladepistole und die erste Repetierpistole.

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Der erste Weltkrieg


Während des ersten Weltkrieges stockte das Werk auf über 4000 Mitarbeiter auf,  bis gegen Ende des Krieges die Produktion aufgrund von Rohstoffknappheit extrem sank. Zudem wurden immer mehr Arbeiter zum Kriegsdienst eingezogen und es kam zu großen Unruhen innerhalb der Belegschaft. Ein Fabriksbrand am 18. April 1920 legte die Produktionsinfrastruktur dann fast zur Gänze lahm. Die Hirtenberger AG musste umdenken, und so verlagerte sie nach Kriegsende einen Teil der Produktion ins Ausland. 

1924 wurde Fritz Mandl Generaldirektor der Firma. Der Export wurde vermehrt gefördert und das Unternehmen stieg zudem in den Flugzeugbau ein. Der schärfste inländische Konkurrent der vergangenen Jahre, die „G. Roth AG“ in Lichtenwörth, wurde übernommen und in den Konzern integriert. Auch die Weltwirtschaftskrise überstand die “Hirtenberger AG” recht gut.

Der zweite Weltkrieg


Nach dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich trat Fritz Mandl als Generaldirektor zurück und flüchtete in die Schweiz. Der Betrieb wurde an die “Wilhelm-Gustloff-Stiftung” verkauft und wurde Produktionsstandort für Rüstungsgüter. Die offizielle Umbenennung in “Gustloffwerke Hirtenberg” erfolgte dann im Jahre 1939. Bald darauf wurde ein Zweigwerk in Kottingbrunn gebaut und die Werke in Lichtenwörth wurden reaktiviert. Hirtenberg war zu einem Zentralunternehmen der deutschen Rüstungsmaschinerie geworden. In insgesamt vier Werken Hirtenbergs wurden nunmehr 2835 “Gefolgschaftsangehörige” beschäftigt.

Ab September 1944 wurde ein Nebenlager des KZ Mauthausen in Hirtenberg eingerichtet. Großteils fertigten die inhaftierten “Schutzhäftlinge” kriegswichtige Munition in den Kalibern „7.92×57 mm Mauser“ und “9×19 mm Parabellum” an. Trotz der unzähligen Fliegerangriffe blieb die Fabrik unversehrt und fiel 1945 den Russen in die Hände. Die Gustloffwerke wurde von der Sowjetunion unter die USIA-Verwaltung (Verwaltung des sowjetischen Eigentums in Österreich) gestellt. 1955 zog die sowjetische Besatzungsmacht ab und Österreich übernahm den USIA-Betrieb

Nachkriegszeit bis heute


Fritz Mandl kehrte aus dem argentinischen Exil zurück und übernahm den Wiederaufbau des Unternehmens. 1957 wurde die “Hirtenberger Patronen- und Rohrwerke A.G.” formiert. Schon 1958 wurde die Firma abermals in „Hirtenberger Patronen-, Zündhütchen- und Metallwarenfabrik AG“ umbenannt. Erstmals nach dem Krieg wurde ein Produktkatalog für Militär- und Behördenbedarf herausgegeben. Außerdem publizierte man erstmals einen zivilen Katalog.

Nachdem Mandl im Jahre 1977 verstarb, verkauften die Erben im Jahre 1981 ihre Anteile an die Großkonzerne “Voestalpine AG” und “Austria Metall AG”. 1986 erfolgte die Umbenennung des ausgeschlankten Betriebs in “Hirtenberger AG”. 

Die heutige “Hirtenberger Holding GmbH” wird sich ab dem Jahr 2019 auf Produkte für die Sicherheit im Auto und auf Maschinen für die Landwirtschaft fokussieren. 

Quellennachweise: noe.orf.at; webopac.hwwa.de; 
Hirtenberger AG - Die ersten 150 Jahre [Festschrift 2010]; 
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