Die Geheimnisse der Wiener Flaktürme

Flaktürme Wien
Geschützturm Augarten

Ab dem Jahre 1943 wurden in Wien sechs gewaltige Festungsbauten errichtet. Die von Diplom-Ingenieur Friedrich Tamms geplanten Turmpaare sollten damals nicht nur den Kampf gegen die alliierten Bomber aufnehmen, sondern auch dem Schutz der Bevölkerung dienen. Zudem waren zu Kriegszeiten unzählige kriegswichtige Produktionsstätten darin untergebracht. Das NS-Regime setzte mit dem Bunkerprogramm auch ein sichtbares Zeichen seiner Totalität. Adolf Hitler wollte mit diesen kolossalen Bauwerken auch nach dem Krieg die Legitimität des 3. Reiches untermauern. Nach dem “Endsieg” sollten diese unverwüstlichen Bunker mit Steinplatten versehen und weiters mit Erinnerungstafeln für die gefallenen Soldaten bestückt werden. Probeweise passierte dies noch während des Krieges an einem Flakturm in Berlin

Die Türme nach dem Krieg

Auch wenn Friedrich Tamms Bauwerke manchmal als “Nazibauten” verunglimpft werden, sind sie jedoch aus der langen Geschichte des Festungsbau nicht auszuklammern und daher auch von historischer Bedeutung. Nach der Besetzung durch die Rote Armee gerieten die Flaktürme Wiens in Vergessenheit. Einige der einstigen Flaktürme konnten einem anderen Zweck zugeführt werden, andere wiederum stehen seither leer. Der Geschützturm in der Stiftskaserne beispielsweise dient dem österreichischen Bundesheer als Kommandobunker. Der Geschützturm im Arenbergpark ist nun das Kunstdepot des Museums für angewandte Kunst und der dazugehörige Leitturm im Esterhazypark ist seit 1959 das “Haus des Meeres”. 

Die Türme im Augarten sollten 1958 mit einem Atomreaktor ausgestattet werden. Da die Wiener aber dagegen waren, wurde dieses Projekt nie verwirklicht. 2006 fand dann eine umfangreiche Sanierung des Geschützturms im Augarten statt, denn die Aussenmauern drohten im oberen Bereich abzustürzen. Damals wurden Stahlseile um den Turm gespannt um ihn zusammenzuhalten. Diese Zerstörung rührt von unzähligen Explosionen im Inneren des Bauwerks – 1946 haben Kinder beim Spielen alte Flakmunition entzündet und es kam zu einer schweren Explosion, die mehrere Stockwerke zerstörte und eben auch die Aussenhülle beschädigte. Zudem versuchte die Rote Armee diesen Turm vergebens zu sprengen, und in den 1970er-Jahren führte das Unternehmen von Udo Proksch zur “Kriegsinszenierung” ebenfalls einige Explosionen aus. 

Weiters wurden im Jahr 2006 die Flakgeschütze von den Plattformen geborgen, die bis zu jenem Zeitpunkt da oben verweilten. Heute kann man eines der 12,8 cm-Flakgeschütze im Heeresgeschichtlichen Museum bestaunen.

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Die Geschütztürme

Die Flaktürme wurden immer als Paar aufgestellt, denn die Geschütze konnten nicht auf demselben Turm stehen auf dem auch die sensiblen Ortungsgeräte standen. Die beiden Turmarten unterscheiden sich auch meist von der Bauform; der Geschützturm im Augarten ist beispielsweise 16-eckig, der Geschützturm im Arenbergpark ist quadratisch. Auf der obersten Plattform fanden früher vier Geschützstellungen mit jeweils einem 12,8 cm-Zwillingsflakgeschütz Platz. Diese halbautomatischen Geschütze gehörten zu jener Zeit zu den modernsten Geschützen der Luftwaffe. Die Geschütze standen jeweils auf einer drehbaren Lafette und die damit abgefeuerten Flakgranaten erreichten eine Schußhöhe von 15 Kilometern. 

Auch für den Erdkampf wurden diese Geschütze eingesetzt und erreichten dabei eine Schußweite von rund 21 Kilometern. Der Geschützturm in der Stiftskaserne feuerte damals im Kampf gegen die Rote Armee in Richtung Mödling. Die Munition wurde mittels Aufzüge auf die Plattform transportiert und es gab auch Kräne für den Tausch verschlissener Rohre oder um Reparaturarbeiten durchführen zu können. Auf den unteren Plattformen waren weitere kleinere Geschütze aufgebaut, die dem Objektschutz und der Abwehr von Tieffliegerangriffen dienten. 

Die Feuerleittürme

Die Feuerleittürme waren mit verschiedensten Ortungsgeräten ausgestattet. Für die elektronische Fernortung kamen die bekannten “Würzburg Riesen” zum Einsatz. Diese gitterförmigen Parabolspiegel waren entweder auf einer Hebebühne oder auf einem fixen Betonsockel montiert. Am Feuerleitturm im Augarten kann man diese Sockel noch sehr gut erkennen. Mit optischen Entfernungsmessgeräten wurde die direkte Zielerfassung ermittelt und an den Geschützturm weitergeleitet. Um eine optimale Übertragung zu erreichen, baute man die Turmpaare immer rund 500 Meter weit voneinander auf. Um aber im Notfall, wenn der eigene Feuerleitturm ausfiel, auch mit anderen Leittürmen kommunizieren zu können, befinden sich alle Plattformen auf ein und demselben Niveau. Dies erklärt auch die unterschiedlichen Höhen der einzelnen Flaktürme. Der Geschützturm im Augarten ist mit seinen 55 Metern übrigens der höchste. 

Die Flaktürme als Luftschutzbunker

Die Bunker in den mehrstöckigen Flaktürmen waren sehr massiv und konnten auch durch schwere US-Bomben nicht zerstört werden. Die Außenmauern bestanden aus 2,5 Meter dickem und bestem Stahlbeton. Die Plattformdecken weisen eine Dicke von gut 3,5 Metern auf. Der Aufenthalt in einem solchen Festungswerk ist wahrlich kein angenehmer, aber sie boten damals 100% Schutz. In den weitläufigen Bunkeranlagen befanden sich Ruheräume, Schlafräume, Sanitäts- und Aborträume, und auch Operationsräume waren vorhanden. Noch dazu gab es eigene Kraftwerke und genügend Vorräte. Insgesamt boten die sechs Flaktürme rund 40.000 Personen Schutz. Diese Bollwerke waren also wirklich für den “totalen Krieg” gebaut.

Ein interessantes technisches Detail zeigt sich im Feuerleitturm im Esterhazypark. Untersuchungen des Lüftungssystems ergaben ein überraschendes Ergebnis, denn die damaligen Architekten überließen wohl nichts dem Zufall. Durch kommunizierende Hohlschächte entstand eine Luftzirkulation, die die warme Luft der Südseite (Sonnenseite) des Turms auf die kühlere Nordseite und vice versa verteilte. Egal von welcher Richtung und wie stark der Wind draußen pfiff, der Turm war durch statische Luftzirkulation immer gleichmäßig temperiert. Und das ganze System funktionierte ganz ohne Strom und Motoren!

Die letzten Burgen des Abendlandes

Wie eingangs schon erwähnt, kann man diese Festungen heute nicht mehr sprengen. Über die Jahrzehnte hat sich der Beton so verhärtet, dass  eine Sprengung unmöglich gemacht wurde. Es gab Ansätze mittels Flüssigkeiten oder Säuren, die durch Bohrlöcher eingespritzt werden sollten, aber egal welche Abrissmaßnahme man ergreifen würde, sie wäre exorbitant teuer.

Dass die Flaktürme in Wien überhaupt noch stehen und nicht teilweise von den alliierten Mächten gesprengt oder zerschossen wurden, wie dies in Deutschland meist der Fall war, ist wohl auf den Umstand zurückzuführen, dass Wien als “befreite” Stadt galt. Deutschland und deutsche Städte werden als “besiegt” angesehen.

Quellennachweise: Burgen, Bunker, Bollwerke von Marcello La Speranza [ISBN: 3-7020-1048-7]; Wien 1945-1955 von Marcello La Speranza [ISBN: 978-3-902475-44-2]
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2 Kommentare

  1. Guten Abend,
    Eine Sprengung wäre doch auch damals schon extrem aufwendig gewesen, zumal die Hochbunker ja auch noch mitten im Stadtzentrum liegen. Auch ein Beschuss durch die Alliierten hätte vermutlich wenig Schaden angerichtet, wie bspw. am U-Boot Bunker Valentin zu sehen.
    Lg

  2. Sehr geeherte(r) M. Aben,

    danke für Ihr Feedback. Und ja, eine Sprengung solcher Betongiganten ist in jedem Fall immer schwierig bis unmöglich. Ich persönlich finde der Weiterbestand solcher Monumente nicht weiter tragisch, eventuell etwas unschön im Stadtbild, aber dennoch mahnende Zeitzeugen.

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