Wiener Originale: Der Goldfüllfederkönig

Goldfüllfederkönig
Goldfüllfederkönig Ernst Winkler; Photo: Bildarchiv Austria

Ernst Heinrich Winkler, der sich selbst “Goldfüllfederkönig” nannte, war in Wien in der Zwischenkriegszeit nicht weniger bekannt als die “Reichsgräfin Triangi”. Seine Popularität verschaffte er sich durch “Mystifikationen”, wie er seine Aktionen selber nannte. Zudem betrieb er ein Füllfedergeschäft am Kohlmarkt und später ein weiteres am Hohen Markt.

Seine Mystifikationen führte er meist unter einem adeligen Namen aus. Sein Wunsch zur Aristokratie zu gehören, schien ebenso stark gewesen zu sein wie jener der Gräfin Triangi. Seine Gerichtsverhandlungen hatten bei den Wienern zu jener Zeit einen hohen Unterhaltungswert. In einigen Fällen wurde er auch vom Wiener Advokaten Dr. Hugo Sperber vertreten. Er kam aber später auch immer öfter mit dem Gesetz in Konflikt. Diebstahl, Hehlerei und bedenklicher Ankauf sowie Übertretung des Waffenpatents sind Gegenstand zahlreicher Verhandlungen.

Seine ersten Streiche

Einer seiner ersten bekannten Streiche verübte er am Anninger, einem kleinen Berg in der Nähe Mödlings zu Wien. Dort wurde ein kleiner Koffer gefunden, darin eine Visitenkarte mit dem Aufdruck: “Graf Henckel Freiherr von Donnersmarck, Fideikommißherr auf Beuthen“, auf deren Rückseite dann noch eine Mitteilung, dass dieser sich irgendwo im Wald umgebracht habe. Dem Finder der Leiche wurde eine Belohnung von 100.000 Goldmark versprochen.

Freilich machten sich Heerscharen an Menschen samt Polizei auf die Suche nach dieser besagten Leiche. Später stellte sich jedoch heraus, dass dies nur eine Mystifikation war, die Ernst Winkler auch gestand.  

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Kriminalfälle des Goldfüllfederkönigs

Nach seinen ersten Streichen mischte er sich auch in einige Kriminalfälle ein. Einer seiner ersten großen Fälle war der “Fall Molitor”. In Deutschland wurde am 6. November 1906 die reiche Witwe Josefine Molitor auf der Promenade von Baden-Baden von hinten erschossen. Des Mordes verdächtigt wurde der Schwiegersohn Karl Hau. In einem aufsehenerregenden Indizienprozess wurde dieser im Jahre 1907 schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt. Dieses Urteil wurde später in lebenslangen Kerker umgewandelt, gegen Bewährung kam Hau aber schon nach 17 Jahren wieder frei. Er durfte jedoch seinen Prozess in keinster Weise veröffentlichen oder kommentieren. Diesen Auflagen widersetze er sich und brachte zwei Broschüren heraus, ebenso arbeitete er an einem Film über sein Schicksal mit. Daraufhin wurde die Bewährung aufgehoben, und mit einer Flucht nach Italien konnte er seiner Verhaftung entkommen. 1926 verübte Karl Hau in Italien Selbstmord.

Der “Goldfüllfederkönig” verfasste dann im Dezember 1926 einen Brief, den er aus Salzburg an die Staatsanwaltschaft in Karlsruhe sendete. In diesem legte er, freilich als anonymer Schreiber, ein Geständnis zu dem Mord an Molitor ab. Ein weiterer Brief erreichte die Karlsruher Beamten aus Semmering. Die österreichische Polizei hatte natürlich gleich den “Goldfüllfederkönig Ernst Winkler” unter Verdacht. Nach anfänglichem Leugnen gestand er diese Mystifikation. Er ist also extra nach Salzburg und zum Semmering gereist, um diese beiden Briefe aufzugeben. Er wurde wegen Irreführung der Behörden angezeigt. 

All die Jahre ging Winkler immer nach demselben Muster vor. Nach einem Raubmord an dem Fischhändler Frömmel aus Bad Vöslau im Jahre 1930, der nicht aufgeklärt werden konnte, sandte Winkler Geld und einen Begleitbrief an den Gendarmerieposten Vöslau. In diesem Brief beteuerte er die Tat und erklärte, das mitgesandte Geld wäre ein Teil des Geldes, das er damals dem Opfer entwendete. Die Gendarmerie solle diesen Betrag der Witwe des Fischhändlers übermitteln. In diesem Fall wurde er – wieder einmal – psychiatrisch untersucht, als „degenerativer Querulant mit abnormer Phantasieanlage“ bezeichnet und zu drei Wochen Arrest verurteilt.

Nicht minder bekannt ist später noch sein Bekennerschreiben zum “Fall Marek” und auch im “Fall Grosavenscu” mischte er eifrig mit.

Politische Aktivitäten

Ernst Winkler war auch politisch sehr engagiert und der Justizpalastbrand bescherte dem “Goldfüllfederkönig” noch größere Popularität. Die Vorgangsweise der Exekutive bei den Unruhen im Juli 1927 sorgte für erregte Kontroversen innerhalb der Bevölkerung. Der damalige Polizeipräsident Johann Schober musste heftige Attacken erdulden. Daraufhin ließ Karl Kraus im September 1927 an Plakatwänden und Litfasssäulen Plakate anbringen:

An den Polizeipräsidenten von Wien
Johann Schober
Ich fordere Sie auf,
abzutreten.
Karl Kraus
Herausgeber der Fackel

Daraufhin erschienen andere Plakate mit dem Inhalt:

An den Polizeipräsidenten von Wien
Johann Schober
Ich fordere Sie auf,
nicht abzutreten.
Gegeben zu Wien, am 22. September 1927
Goldfüllfederkönig E.W.

Mit dieser Aktion machte sich der “Goldfüllfederkönig” endgültig in ganz Wien bekannt. Karl Kraus hatte er damit lächerlich und zu seinem unversöhnlichen Feind gemacht. 

Der Höhepunkt seines Bekanntheitsgrades

1928 drohte er dann mit einem Attentat bei der Opernredoute und musste daraufhin wieder einmal in die Psychiatrische Klinik. Später weitete er sein kurioses Treiben auch auf Deutschland aus. Mit dem “Selbstmörder vom Königsee” inszenierte er ein wahrlich meisterhaftes Schauspiel. Man schrieb das Jahr 1929, die Weimarer Republik durchlebte gerade aufgeheizte Zeiten und ein radikaler Flügel eines Zusammenschlusses von Bauern verübte eine Reihe von Bombenanschlägen. Diese Anschläge drangen mittlerweile bis nach Berlin vor. Just zu dieser Zeit bezog ein unbekannter Mann ein Hotel am Königssee. In seinem Zimmer hinterließ er seinen Überrock und einen Brief, ein Geständnis, dass er die Bombenanschläge finanziert habe. Dann mietete sich der unbekannte Mann ein Boot und ruderte auf den See hinaus. Das Boot wurde später gefunden, darin befand sich lediglich ein Hut, ein Gehstock und ein Schlüsselbund. Gleichzeitig wird im Hotel der Brief gefunden.

[…] vielleicht das Geheimnis einer ungeheuren Enttäuschung, das Geheimnis eines Mannes, der an Ideale der Reaktion glaubte und von explodierenden Bomben aus seinen Träumen geschleudert wurde. Vielleicht die Tragödie eines Menschen, der meinte, einer Idee zu dienen, und plötzlich erkannte, daß er das Werkzeug von Abenteurern, Hasardeuren, Banditen war. Vielleicht das Schicksal all der Verblendeten, die allzu lang mit konterrevolutionären Mächten spielten und allzuspät diesen Mächten in das tierische Antlitz sahen. Und wie ein dunkles Symbol treibt das leere Boot auf den Fluten; der es lenken sollte, ist ins Nichts zurückgekehrt. Und nur die Requisiten des Toten sind da: der Hut, unter dem der Kopf hinwegschwand, der Stock, von dem die „starke Hand“ sich löste, die Schlüssel, die Vergangenes aufsperren, Räume, in denen niemand mehr wohnt, in denen dumpf das ewige Gestern brütet […]

Sehr bald stellte sich heraus, dass dieser Brief mit Füllfeder geschrieben wurde und der Verdacht fiel wieder einmal auf den “Goldfüllfederkönig”. Zum wiederholten Male wurde Ernst Winkler wegen Irreführung der Behörden angeklagt.

Bundespräsidentenwahl

Im Jahre 1931 verkündete er, bei der kommenden Wahl für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren. “Die Monarchisten würden einen König bekommen – den Goldfüllfederkönig”; den Sozialisten dagegen versprach er die volle Durchführung ihres „Linzer Programms“. Er scheint sich danach aber nicht mehr weiter um die Kandidatur bemüht zu haben, jedenfalls schien sein Name in der Liste der Wahlvorschläge nicht mehr auf. Später behauptete Ernst Winkler freilich, dass er bei dieser Volkswahl mit Sicherheit den Sieg davongetragen hätte.

Kriegsjahre und Lebensende

Während der Kriegsjahre ging das Geschäft stark zurück, Goldfüllfedern durften nicht mehr gekauft oder verkauft werden. Am 6. April 1944 wurde Ernst Winkler verhaftet, da er bei verbotenenen Geschäften in Deutschland aufgeflogen war. Im Jänner 1945 erging das Urteil. Er wurde als Volksschädling eingestuft und zu sechs Jahren Zuchthaus und zu einer Geldstrafe von 300.000 Reichsmark verurteilt. Im April desselben Jahres wurde Winkler aus dem Zuchthaus befreit. 

Im Jahre 1947 wurde der “Goldfüllfederkönig” erstmals der Kinderschändung beschuldigt, angeklagt und verurteilt. 1951 wurde er wegen gleichen Deliktes an mehreren Mädchen zwischen sieben und elf Jahren für schuldig befunden. Er soll die Mädchen mit Ankündigungen in den Auslagen seiner Geschäfte hereingelockt haben und sie dann mit Geschenken zu unzüchtigen Handlungen verführt haben. Ein psychiatrisches Gutachten bescheinigt ihm, „ein erblichbelasteter, geltungsbedürftiger Psychopath“ zu sein, „seine Widerstandskraft gegen kriminelle Impulse ist sichtlich herabgesetzt“. Er wurde wegen des Verbrechens der Schändung, jedoch nicht des Beischlafs mit Minderjährigen, zu fünf Jahren schweren Kerkers, mit Verschärfung durch hartes Lager, in der Strafanstalt Stein verurteilt.

Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis fristete er ein kärgliches Leben in seiner letzten Wohnung im Michaelerhaus am Kohlmarkt 11. Mittlerweile war er Sozialrentner und im selben Haus wohnte auch Elfriede Ott, deren Lebensgefährten Hans Weigel er brieflich immer wieder um Geldbeträge anbettelte. Elfriede Ott konnte sich an Ernst Winkler noch erinnern, von den Briefen an ihren Lebensgefährten wusste sie allerdings nichts.

Der “Goldfüllfederkönig” erreichte in der Versorgung Lainz seine letzte Lebensstation. Am 21. Juni 1974 verstarb er im Alter von 88 Jahren an Magenkrebs.

Quellennachweise: austria-forum.org; bmi.gv.at; Diplomarbeit “Wiener Originale der Zwischenkriegszeit“ von Frederike Kraus, 2008; Magazin Kriminalgeschichte, Ausgabe 05/06 2015; 
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