Was ist ein Gentleman?

Gentlemen mit Damen, Frankreich
Gentlemen mit Damen; Photo: pixabay.com

In der heutigen Zeit, so sagt man, werden echte Gentlemen immer rarer. Doch wird dieser Ausdruck umgangssprachlich oft für verschiedenste Eigenschaften verwendet und es wird immer ungewisser, woher dieser Begriff eigentlich stammt und was er einst bedeutet hat. Lassen Sie uns hier Licht ins Dunkel bringen.

Der Ursprung des Gentleman

Der Begriff “Gentleman” ist schon sehr alt und führt vermutlich bis ins Jahr 1431 zurück. Ein damaliges Grundbesitzbuch führt neben den Titeln “Knights”, “Esquires”, “Yeomen” und “Husbandmen” auch die Klasse der “Gentlemen” auf. Bei einem Gentleman handelt es sich um eine eigene Klasse zwischen Adel und dem gemeinen Volke. 

Der Begriff bezeichnet also einen aufgrund seiner Geburt, seines Charakters, seiner Bildung und seines Anstandes sozial herausgehobenen Mann. Geprägt wurde der Begriff in England und in höheren britischen Kreisen als besonderer Ausdruck des Nationalcharakters. Der Begriff setzt sich übrigens aus den englischen Wörtern “gentle” (“liebenswürdig”, “gütig”, “sanft”) und “man” (“Mann”) zusammen. Doch im ursprüngliche Sinne handelte es sich nicht, wie fälschlicherweise angenommen, um einen besonders liebenswürdigen und sanften Mann. Das Wort “gentle” geht wiederum auf das altfranzösische “gentil” (”wohlgeboren”) und damit letztlich auf das lateinische “gentillis” (”derselben Familie, Rasse, Kaste, Völkerschaft zugehörig”) zurück. Eine gewisse Verwandtschaft geht auch auf den englischen Begriff “Gentry”, der im weiteren Sinne den Adel bezeichnet, zurück.

Parallele Begriffe gibt es auch im Französischen “gentilhomme”, im Spanischen mit “gentilhombre” und auch im Italienischen “gentiluomo”. Im Deutschen gibt es kein eigenes Wort für Gentleman. Am besten lässt es sich als “Ehrenmann” oder “Kavalier” übersetzen. 

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Kavalier versus Gentleman

Nun, nachdem wir den eigentlichen Ursprung des Begriffes “Gentleman” kennen, stellt sich die Frage inwiefern dieser etwas mit dem Kavalier gemein hat. Im ursprünglichen Sinne gar nichts, denn der Begriff “Kavalier” entstammt dem Französischen “chevalier” und kommt vom lateinischen Wort “caballarius”, was nichts anderes als Pferdeknecht bedeutet. Erst später stand der Begriff für einen Ritter oder für einen Mann mit ritterlicher, das heisst adeliger Herkunft. Seit der Zeit des Barock bezeichnet er generell vornehme Herren mit ritterlichen Tugenden. Er galt als “Beschützer der Damen”, in weiterer Folge dann einfach den “Begleiter einer Dame”. Heute gilt er einfach als Mann mit höflichen Umgangsformen. 

Ebenso hat sich der Begriff des Gentleman über die Jahrhunderte geändert und wird ebenso wie der Kavalier heute als liebenswürdiger, sanfter und zuvorkommender Herr angesehen. Somit kann man heutzutage den Gentleman einfach als Kavalier bezeichnen. Dies war aber nicht immer so.

Der Ehrenmann

Nun, auch dieser Begriff ist sicherlich älterer Herkunft und hatte wohl in früheren Zeiten einen anderen Stellenwert. Der Begriff “Ehrenmann” wird in den letzten Jahren wieder vermehrt von Jugendlichen verwendet. Soweit wir herausfinden konnten steht er hierbei aber für die Ehre, also die Achtungswürdigkeit, zwischen Männern, und hat also, wie im heutigen Jugendjargon verwendet, nicht unbedingt etwas mit einem liebenswürdigen und romantischen Herren gegenüber Damen gemein. 

Was macht einen Gentleman aus?

Hier gibt es verschiedenste Zugänge und Definitionen. Eine davon wäre die oben schon beschriebene Zugehörigkeit zum Adel. Ein weiterer Zugang wäre über den Bildungsstand denkbar. So beschreibt Richard Mulcaster den Gentleman nachfolgend: “Dass er lesen, schreiben, zeichnen, singen, fremde Sprachen sprechen könne, ein Gelehrter sei und auch in der Theologie und Jurisprudenz Bescheid wisse“. Sein Zeitgenosse Kempf fordert indes auch eine “Erziehung in Grammatik, Logik und Mathematik”.

Vielfach wird aber auch der Charakter eines Mannes zur Definition eines Gentlemen herangezogen. Im “Meliboeus” schreibt Chaucer beispielsweise, dass ein “gentil man” Sorgfalt und Umsicht darauf verwenden solle, seinen guten Namen zu verteidigen. Eine weitere Tugend, die man einem Gentleman zuschreibt, ist die Zurückgezogenheit. 

Ein weiteres und wichtiges Augenmerk wird auch der Beschäftigung zuteil. Die strenge Auffassung verlangte, dass ein Gentleman in der Lage sein müsse, seinen Lebensunterhalt gänzlich ohne eigene Arbeit zu bestreiten. Dies war freilich nur einem kleinen Kreise möglich, beispielsweise adeligen Großgrundbesitzern. Moderne Auffassungen begnügen sich schon mit Personen, die keine körperliche Arbeit verrichten. Dies wären beispielsweise Ärzte, Juristen oder Theologen. 

Letztendlich wäre da dann noch die Bekleidung eines Gentleman. Ein Zitat von Nick Yapp verbreitete die Auffassung, dass ein Gentleman vor allem durch sein äußerliches Auftreten im Stile klassischer Herrenmode erkannt werden will. 

„Ein wahrer Gentleman ist jemand, der nichts dem Zufall überlässt. Es reicht nicht, dass man sich tadellos kleidet und dass alles makellos gepflegt ist. Die ganze Erscheinung muss vollkommen sein. […] Sind die Fingernägel gut manikürt? Sitzt der Hut im rechten Winkel? Ist der Regenschirm so eng gerollt, wie es sich gehört? Alle diese Fragen muss ein Gentleman sich stellen, sobald er mit dem Frühstück fertig ist.“

Der moderne Gentleman

All diese Zugänge und Definitionen sind schon sehr veraltet und dennoch in der heutigen Zeit präsent. Hört man das Wort “Gentleman” wird man automatisch nostalgisch und stellt sich eben genau den oben mehrfach beschrieben gepflegten Herren vor. Einen gänzlich neuen und anderen Zugang findet der Journalist Martin Scherer in seinem Buch „Der Gentleman. Plädoyer für eine Lebenskunst“. Die These seines Buches lautet: Hinter dem Gentleman verbirgt sich – ausgesprochen oder nicht – eine bestimmte Lebenskunst, in der sich in besonderer Weise Reflexion und Erfahrung, stolze Einsamkeit und soziale Kultur verdichten.

Was nun ein Gentleman ist oder wie er denn sein muss, kann de facto nicht eindeutig geklärt werden. Über die Jahrhunderte hat sich das Bild und der Anspruch der Gesellschaft mehrfach verändert. Verehrte Leserinnen, geschätzte Leser, wie Sie einen Gentleman definieren bleibt also weiterhin Ihnen selbst überlassen. Vielleicht half Ihnen dieser kurze Einblick in die Geschichte des Gentleman, sich nochmal gedanklich damit zu befassen und einen anderen Zugang zum Mythos Gentleman zu finden. Wir empfehlen uns.

Quellennachweise: “Der Gentleman. Plädoyer für eine Lebenskunst” von Martin Scherer (2004), [ISBN 3-42320-649-7]; “Kurze Briefe an meinen langen Vetter, oder, Anleitung zur Kunst, in vierundzwanzig Stunden ein vollkommener Gentleman zu werden” von Eduard Maria Oettinger, Leipzig, (1847);
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