James Dean – Wie sein Mythos auferstand

James Dean
Aufnahme aus dem Film "Jenseits von Eden", James Dean und Jo van Fleet; Photo: commons.wikipedia.org

Genau ein Jahr nachdem der Hollywood-Star James Dean zur letzten Ruhe gebettet wurde, brachte Warner Brothers in New York den Film “The Giant” (Der Gigant) heraus, der mit James Dean in der Hauptrolle kurz vor dem Tode des 24-jährigen zu Ende gedreht worden war. Die Produktionsgesellschaft hatte den Film über ein Jahr zurückgehalten, um die Legende reifen zu lassen. Diese Legende entstand aus einer seltsamen, fast makabren Verzückung und Verehrung, die Amerikas weibliche Teenager plötzlich für “Jimmy” empfanden. Dabei konnten diese den Schauspieler, der als jüngerer, dynamischerer Marlon Brando galt, bis zu seinem Tode nur in zwei Filmen bewundern (“Jenseits von Eden” und “… denn sie wissen nicht, was sie tun”).

Schauriger Kult um eine Legende

Der damalige James-Dean-Kult läßt sich wohl nur mit der schaurigen Massenorgie, die 1926 nach dem Tod Rudolfo Valentinos ausbrach, vergleichen. Aber während es damals vor allem reifere Frauen waren, die mit verweinten Augen zum Mausoleum des toten Stummfilm-Stars pilgerten, grassierte der Totenkult um James Dean, dem Liebling der farbigen Cinemascope-Breitwand, vornehmlich unter der Jugend.

Am 30. September 1956, genau am ersten Todestag James Deans, spielten sich gespenstische Szenen am Grabe des Helden ab. Auf dem Friedhof zu Fairmount (Indiana) fand eine Gedenkfeier statt. Zwei Pastoren gedachten des toten Film-Idols, während Fernsehkameras das Schluchzen der jugendlichen Fangemeinde ins ganze Land übertrugen. Die Ansprachen waren kaum beendet, als das Rudel der wimmernden “Halbstarken” das Grab buchstäblich auseinandernahmen. Es wurden dabei Kränze zerrissen; Erde, Gras und Blumen wurden als “Reliquien” davongeschleppt. Der Schaden betrug mehrere tausend Dollar.

Und genau zur gleichen Stunde mußte in Kalifornien die Kreuzung der Autostraße 466 und 41 polizeilich abgesperrt werden, weil Hunderte motorisierte Teenager zu einer Gedenkminute an der Unfallstelle anrollten. Ebenso mußte damals die Steilküste Kaliforniens bewacht werden, denn einige Jugendliche hatten zuvor fernmündlich angekündigt, sich zu Ehren ihres Idols mit dem Auto ins Meer zu stürzen.

Dieser Dean-Kult ist ein gefährliches Zeichen”, schrieb damals der deutsche Publizist Manfred George aus New York. “Dean war in seiner Schlaksigkeit, seinem Sich nicht-zurechtfinden-Können in der Welt, seinem Zerriebenwerden zwischen Sehnsucht und Norm, zwischen Begehren, Gefühl und der harten Wirklichkeit der sogenannten Erwachsenen das frappante Spiegelbild eines großen Teils der jungen Menschen von heute. In ihm klingt offenbar für viele Zehntausende von Halbwüchsigen das Echo ihrer eigenen Nöte auf …“. [sic]

James Byron Dean, geboren am 8. Feber 1931 in Indiana, galt während seiner kurzen Hollywood-Karriere als der begabteste und faszinierendste Nachwuchsdarsteller der Filmstadt. Schon für seine zweite Rolle am Broadway hatte der Sohn eines Zahnarztes einen Nachwuchspreis gewonnen.

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Ungehobelt, unbeherrscht und exzentrisch

Daraufhin holte ihn der Regisseur Elia Kazan (Endstation Sehnsucht) nach Hollywood, und dort benahm sich der Dreiundzwanzigjährige, der wegen seiner Kurzsichtigkeit eine dicke Hornbrille trug, nicht viel anders als Marlon Brando zu Beginn seiner Laufbahn. Er kleidete sich betont salopp, brauste auf schweren Motorrädern über die Boulevards und war als ungehobelt, unbeherrscht und exzentrisch verschrien. “Jimmy” machte dennoch immer wieder seine Schüchternheit zu schaffen. Er war abwechselnd zugänglich und schroff, ausgelassen und deprimiert, halbstark und seelenvoll. Bis heute suchen fleißige Biographen nach dem Grund für das unbalancierte Wesen dieses jungen Mannes. James Dean wuchs bei bäuerlichen Verwandten auf, war praktisch elternlos und wurde in einem lebensfremden, puritanischen Geist erzogen.

Als er unter der Regie Elia Kazans in der Verfilmung des John Steinbeck Romans “Jenseits von Eden” gewissermaßen sich selbst spielte – einen jungen Mann, der ohne mütterliche Liebe aufgewachsen und dabei gleichsam zum Gefangenen seiner unerwiderten Zärtlichkeit geworden war – wurde der sonderbare junge Mann für Hollywood zu einer Offenbarung, die selbst die Begeisterung für Marlon Brando überdeckte.

Dean entwickelte sich in kürzester Zeit zu einem Casanova. Die Studiochefs registrierten seine Ausschweifungen und duldeten diese vorerst. Als er sich jedoch für 7000 Dollar einen Porsche Spyder zulegte und damit an Autorennen teilnahm, wurden sie schließlich unruhig. Sie verwiesen auf den Vertrag des Schauspielers, der es nämlich untersagte, gefährliche Sportarten auszuüben. Dean war mittlerweile ein wertvolles “Besitztum” der Warner Brothers geworden und mit dem Streifen “Rebel without a Cause” (Rebell ohne Ziel), der in Deutschland unter dem Titel “… denn sie wissen nicht, was sie tun” gezeigt wurde, hatten sie sich den Filmruhm inzwischen weiter gefestigt.

James Dean im Porsche Speedster 1955
James Dean in einem Porsche Speedster #23F beim Palm Springs Races im März 1955. Photo: Chad White

Der Spyder wird zum Grab

Auf dem Weg zu einem Autorennen in Salinas raste der von James Byron Dean gesteuerte Porsche am 30. September 1955 um 17:59 Uhr auf der Kreuzung der Autostraße 466 und 41 bei Paso Robles in einen entgegenkommenden nach links einbiegenden Ford Tudor. Bei dem Zusammenstoß blieb laut Polizeibericht die Tachonadel des Porsche 550 Spyder bei 86 Meilen (134,4 km/h) stecken. James Dean starb in seinem Porsche, den er makabererweise kurz davor noch mit der Startnummer “130” und dem Schriftzug “Little Bastard” (kleiner Bastard) versehen hatte; diesen Spitznamen gab man Jimmy am Set von “Giganten”. Nun brachte ihn sein “kleiner Bastard” ins Grab.

Sein Beifahrer, Rolf Wütherich, ein 28jähriger Mechaniker und früherer deutscher Luftwaffensoldat, überlebte den Unfall und wurden von der Ambulanz in ein nahegelegenes Krankenhaus gebracht. Auch der Fahrer des Ford Tudors, der 23 Jahre alte Student Donald Turnupseed, überlebte den Unfall schwer verletzt. Donald Turnupseed hatte den herannahenden Porsche des Filmstars laut eigener Aussage schlichtweg übersehen. 

Schon in den darauffolgenden 48 Stunden kündigte sich der monströse James-Dean-Kult an. Unbekannte Täter brachen in der Nacht zum 2. Oktober 1955 in das Warner-Brothers-Studio ein und plünderten James Deans Garderobe bis auf das letzte Kleidungsstück. Es bildeten sich rasch Legenden: aus einem talentierten Schauspieler wurde ein Mythos der ewigen Jugend und ist es bis heute geblieben. Die deutsche Sportwagenmarke avancierte zum Hersteller von Autos für draufgängerische Fahrer.

Die größte Totenschau der Welt

Als freilich die Aufregung weiter anhielt und Dean im Dezember 1955 von fünfzehn Millionen Kinogängern zum “besten Schauspieler des Jahres” erklärt wurde, stieg die Filmindustrie kurzentschlossen in den Rummel ein und machte diesen zur größten Totenschau der Welt. Reporter wurden angesetzt, um den entferntesten Freund und die flüchtigste Braut des Idols aufzuspüren und deren wehleidigen Erinnerungen zu Protokoll zu bringen. Die Titelseiten der Magazine waren voll mit Deans mürrischem Jugendgesicht, das von seinen melancholisch verschleierten Augen beherrscht wurde. Aber so sehr die Filmjournale sich auch mühten – sie konnten die merkwürdige Faszination, die James Dean auf Amerikas Jugend ausübte, nicht recht erklären.

Er war ein Phänomen – elementar, wild, maßlos“, war alles, was Regisseur Nicholas Ray zu sagen vermochte. Die nüchterne Erklärung, daß Deans Leben – schnelle Autos, schöne Mädchen, souveräne Rücksichtslosigkeit, unverdienter Liebeskummer, geniales Schauspielertalent, kometenhafte Filmkarriere – das verschwommene Wunschdenken vieler Millionen junger Menschen widerspiegelte, schien das Phänomen noch am ehesten zu begründen.

Nach der Uraufführung von “Giganten” am Jahrestag seiner Beerdigung schrieb sogar der gefürchtet Kritiker der New Yorks Times, Bosley Crowther: “Seine Leistung in ‘Giant’ ist ein beklemmender Gipfelpunkt in der kurzen Karriere des Mr. Dean.” James Dean erhielt später für seine Rollen in “Jenseits von Eden” und “Giganten” zwei posthume Oscar-Nominierungen als Bester Hauptdarsteller.

Die unsterbliche Legende

Im Jahr 2020 jährte sich der Todestag dieses Ausnahmetalents zum 65. Mal und heuer würde “Jimmy” seinen 90. Geburtstag feiern. Man kennt ihn mit der Zigarette im Mundwinkel, seine Schultern im langen schwarzen Mantel leicht gebeugt, und dem gelangweilt-melancholischen Blick. Obwohl er Geld, Ruhm und die schönsten Frauen an seiner Seite hatte, wirkte er etwas unglücklich, getrieben, verletzlich – und genau das traf wohl den Nerv der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Um seine Person und vor allem um seinen frühen Tod ranken sich bis heute Mythen, ja sogar Verschwörungstheorien. Schon im Jahre 1956 wurden die ersten Gerüchte laut, er sei gar nicht gestorben, man halte ihn bloß aufgrund seiner Verstümmelung durch den Unfall von der Öffentlichkeit fern. Ein junges Mädchen andernorts sandte damals einen Brief an die Warner Brothers Gesellschaft, in dem sie erklärte, dass Dean noch am Leben sei und mit ihr gemeinsam in einem kleinen weissen Haus wohne. 

Auch der Unfallhergang und die Schuldfrage sind bis heute unklar. So führte im Jahre 1990 die “Failure Analysis Associates” Untersuchungen durch und stellte den Unfall nach. Sie kamen jedoch zum Ergebnis, dass das Unfallfahrzeug nur etwa mit einer Geschwindigkeit von 55 bis 60 Meilen (88 bis 96 km/h) gefahren sein muss. Damit widersprachen sie dem damaligen Polizeibericht, wonach Dean mit stark überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen sein soll. Wahrscheinlicher ist daher, dass Turnupseed den Unfall verschuldet hat. Er wurde jedoch damals vom Amtsrichter freigesprochen. 

James Dean ist über seinen Tod hinaus bis heute populär, weil er der Begründer all der Werte ist, die bis heute unser aller Jugend entscheidend mitprägen.

Filmtipp: Life [2015], Regie: Anton Corbijn, Darsteller: Robert Pattinson, Ben Kingsley, Dane DeHaan; ASIN: B015DLLA2W
Quelle- und Bildnnachweise: jamesdean.com; type550.com; Der Spiegel, Ausgabe vom 31. Oktober 1956; commons.wikimedia.org

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