Die Geschichte des Impfens

Kinder werden geimpft
Photo: National Cancer Institute; unsplash.com

Die Geschichte des Impfens ist viele hunderte Jahre alt, wenn nicht sogar älter. Wissentlich begann diese Geschichte aber mit dem Kampf gegen die Pocken. Diese Krankheit gibt es bekannterweise schon über Jahrtausende und breitete sich anfänglich in Nordkorea aus. Die gefährlichen Blattern wurden vermutlich durch die Wikinger verbreitet und so wütete die Seuche über alle Kontinente. Im 18. Jahrhundert waren vor allem Kleinkinder sehr betroffen, und viele davon starben an den Folgen dieser heimtückischen Krankheit.

Vakzin gegen Pocken

Es war der englische Arzt Edward Jenner, der im Jahre 1796 den wissenschaftlichen Durchbruch gegen die Pocken errang. Doktor Jenner infizierte einen Jungen über einen Schnitt in den Oberarm mit Kuhpocken. Seinerzeit mussten die Krankheitserreger aus Ermangelung an Spritzen noch unter die Haut geritzt werden. Der Knabe war jedenfalls immun gegen die Menschenpocken geworden und ein Meilenstein im Kampf gegen diese Seuche war erreicht. Edward Jenner nannte den Impfstoff “Vaccine”, daraus leitet sich der heutige Begriff “Vakzination” ab. Ab 1798 publizierte der Brite seine Forschungsergebnisse und die Wirksamkeit der Pockenimpfung war belegt.

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Das Reichsimpfgesetz

Vor rund 200 Jahren war die Bevölkerung sehr skeptisch gegenüber dieser Versuche an Menschen. Dennoch führte 1807 Bayern als erstes Land der Welt eine Impfpflicht ein. 1871 brach dann im Deutschen Reich eine schwere Pockenepidemie aus, an der etwa 180.000 Menschen starben. Otto von Bismarck führte infolgedessen 1874 mit dem Reichsimpfgesetz die allgemeine Impfpflicht ein. Er greift damit als erster Staatsmann in das Leben des Individuums ein. Wer sich einer Impfung verweigerte, dem drohten Sanktionen: Geldstrafen, Haft oder gar auch die Zwangsimpfung.

Doch mit diesem Impfzwang wuchs der Widerstand in der Bevölkerung. Die Sorge vor dem Freiheitsverlust besteht seitdem es Impfungen gibt. Dabei geht es nicht um den Stich, sondern vielmehr um die Weltanschauung und auch darum, wer über den eigenen Körper bestimmt. Auch die Sorge um Nebenwirkungen und nachfolgende Schäden ist groß und auch berechtigt. Manche sehen in der Impfung auch einen Eingriff in die Natur oder Gottes Schöpfung. In Folge sinkt die Bereitschaft der Menschen sich impfen zu lassen.

Im 20. Jahrhundert sterben noch rund 500 Millionen Menschen an den Blattern. Der letzte Fall ereignete sich im Jahre 1972 in Hannover. Ein Gastarbeiter bringt das Virus aus Jugoslawien mit. 1976 wird die Impfpflicht gegen die Pocken abgeschafft und im Jahre 1979 erklärt die WHO die Pocken für ausgerottet.

Diphtherie & Tuberkulose

Diphtherie zählte im 19. Jahrhundert zu den häufigsten Todesursachen bei Kleinkindern. Emil von Behring entdeckte gegen den “Würgeengel der Kinder”, wie diese Seuche im Volksmund genannt wurde, eine Therapie aus Blutseren. Ab 1894 erfolgte eine passive Immunisierung gegen Diphtherie, der Schutz hielt allerdings nur sehr kurz an. 1923 kann schließlich die erste prophylaktische Impfung durchgeführt werden, 1936 erfolgte die Zulassung in Deutschland.

Tuberkulose gilt als Krankheit der Armen.1882 wurde der bakterielle Erreger von Robert Koch entdeckt. 1921 kommt nun endlich ein Impfstoff zur oralen Einnahme zum Einsatz. Entwickelt wurde dieser nach 13-jähriger Vorarbeit durch die französischen Immunologen Albert Calmette und Camille Guèrin. 1930 entscheidet das Lübecker Gesundheitsamt, die Impfung an Neugeborenen einzuführen. Doch 77 Säuglinge starben an den Folgen der Impfung. Der Grund waren verunreinigte Präparate. Die Verantwortlichen mussten sich vor dem Landgericht Lübeck wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung verantworten. 

Impfen als Dienst am Volke

Im Dritten Reich gab es zunächst Lockerungen bei der Impfpflicht, weil unter den Nazis auch einige Impfgegner waren – dazu gehörten Heinrich Himmler und Rudolf Heß. Später aber wurde die Impfpflicht wieder verschärft und bis in die 1930er-Jahre wurden auch sogenannte Zwangsimpfungen vollstreckt. Während des Weltkrieges wurden allerdings viele Impfungen aufgrund der Versorgungsknappheit ausgesetzt. Impfen wurde damals als Dienst an der Volksgemeinschaft verstanden und entsprechend sollten Propagandafilme die Impfwilligkeit des Deutschen Volkes stärken. Wie eine solche Impfung bei Unfreiwilligen vollstreckt wurde, weiss Historiker Malte Thießen zu berichten:

Da spielten sich bis in die 30er-Jahre teilweise martialische Szenen ab. Die Impfpflicht galt für die Ein- und Zwölfjährigen, und wenn die Eltern sie nicht impfen ließen, gab es Polizei- und Zwangseinsätze. Polizeikräfte holten die Kinder mitunter aus den Schulen oder Elternhäusern und schleppten sie zum Impfarzt. Den Eltern drohten hohe Geldstrafen oder auch Gefängnis. Es gab bis in die 60er-Jahre radikale Gegner, die es darauf ankommen ließen, ins Gefängnis zu gehen – um damit weiteren öffentlichen Protest anzuheizen.

Die nationalsozialistische Gesundheitsbehörde identifizierte die jüdische Bevölkerung als vermeintliche Hauptüberträger des Fleckfiebers, oder auch Flecktyphus genannt. Sie instrumentalisierte diese Infektionskrankheit für rassistische Ressentiments gegen den “jüdischen Parasiten”. Um ein Vakzin gegen Fleckfieber zu entwickeln, testeten NS-Ärzte den Impfstoff an Häftlingen des KZ-Buchenwald. Gerhard Rose, Tropenmediziner am Robert-Koch-Institut (RKI), spritzet den unfreiwilligen Probanden hohe Dosen an infektiösem Blut, viele von ihnen starben bei diesen Versuchen.

Die Nachkriegszeit war geprägt vom Vergessen der früheren schrecklichen Infektionskrankheiten. Die Menschen mussten von Vorsorgemaßnahmen erst wieder überzeugt werden. All die Vorfälle und Zwänge hatten das Volk skeptisch gemacht, zumal auch ein Spannungsfeld zwischen Profitstreben und der Gesundheit in der Pharmaindustrie entstanden ist. Dies warf viele ethische Fragen auf. 

Schluckimpfung war keine Pflicht

In den Fünfzigerjahren bricht Poliomyelitis immer wieder seuchenartig aus. Vor allem Kinder waren von dieser hochansteckenden Krankheit betroffen. Das Virus befällt hierbei das Rückenmark und führt später zu Lähmungen. Wenn die Atemmuskulatur ausfällt, ist meist ein Luftröhrenschnitt oder die “Eiserne Lunge” die letzte Rettung. Auch damals gab es schon Triagen – das heißt, nicht alle Patienten können eine Behandlung erhalten. Dennoch war die Skepsis gegenüber Impfstoffen bei den Eltern groß. In Westdeutschland und Österreich hielt man aber nach den vergangenen Jahrzehnten der Unterdrückung nicht mehr viel von einer Impfpflicht und somit blieb diese aus. Anders lief es in der DDR – diese führte 1960 eine Impfpflicht für Kinderlähmung ein.

Auch für die Influenza gibt es bis heute keine Impfpflicht, obwohl es in den Jahren 1918 bis 1919 zur schwersten Influenza-Pandemie der Geschichte kam – die “Spanische Grippe” forderte damals rund 50 Millionen Menschenleben. 

Die Geschichte der Impfung ist eine lange und durchaus von Erfolg gekrönt, wenn es auch immer wieder herbe Rückschläge gab. Dennoch sei dahingestellt, ob es in einer Demokratie, inmitten einer westlichen zivilisierten Gesellschaft, noch altmodische Methoden wie den Impfzwang braucht. 

Quellennachweise: diepresse.com; ndr.de; bpb.de; haz.de
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