Wie am echten Lido, nur halt in Wien

Gänsehäufel
Ringschaukel im Wasser des Wiener Gänsehäufel, 1933; Foto: Bildarchiv Austria

Mit der Regulierung der Donau ab dem Jahre 1870 änderte sich in Wien vieles. Der Donaustrom erhielt ein neues Flußbett, der einstige Hauptarm wurde danach “verkehrsberuhigter” und ist heute als “Alte Donau” bekannt. Schon bald bildeten sich darin Sandbänke, die umgangssprachlich auch “Haufen” genannt wurden. Gänse, die sich auf einer dieser großen Haufen angesiedelt hatten, werden später zum Namensgeber des heute bekannten Freibades Gänsehäufel. 

Wie Robinson Crusoe

Schon bald kamen die ersten Menschen auf diese Insel, einer der ersten, der hier Platz für seine Ideen gefunden hatte, war  der Waldviertler Naturheilkundler Florian Berndl. Herr Berndl erwarb einen großen Teil dieser Insel und eröffnete unter dem Titel “Robinson Eiland” ein Körperpflegeheim. Florian Berndl lebte selbst auch auf dieser Insel, in der Villa Berndl, die im Grunde nur eine Holzhütte mit Schilfdach war. Das Naturheilparadies fand bei Intellektuellen und dem guten Bürgertum schon bald Anklang. Bekannt wurde Herr Berndl durch seine “Sandbäder”, die man bislang nur vom echten Strand am Meer kannte. Diesen Bädern sagte man heilende und wohltuende Wirkung nach und so wurde Herr Berndl auch als der “Sanddoktor” bekannt. Ebenso war es damals Sitte, sich auf dem Eiland ganz ohne Bekleidung zu bewegen – also so wie Gott den Menschen schuf. Diese freie Frivolität war damals freilich auch etwas ganz Neues und fand natürlich ebenfalls  seine Anhänger, aber sehr wohl auch seine Feinde. Bald schon folgten Unterstellungen und das Mißtrauen wuchs. So mancher Spießbürger ortete dort einen Sündenpfuhl, einen Ort der Freizügigkeit und daraufhin wurde Florian Berndl im Jahre 1905 der Pachtvertrag gekündigt.

Begründer Florian Berndl mit Frau und Söhnen und drei Badegästen vor der “Villa Berndl”; Foto: Bildarchiv Austria
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Der Lido von Kagran

Nachfolgend erwarb die Stadt Wien das Areal und eröffnete am 5. August 1907 das städtische Strandbad am Gänsehäufel. Bademeister wurde damals übrigens der zuvor gekündigte Florian Berndl. Von nun an war der Zutritt auf die Insel kostenpflichtig, zwei Fähren brachten die zahlenden Badegäste auf den Sandhaufen in der Alten Donau. Auch das bisher übliche Wildbaden und das Herumlaufen ohne Kleidung war strengstens verboten. Das Strandbad war damals in vier Abteilungen unterteilt: Damenbad, Herrenbad, Familienbad und Kinderheil- und erholungsstätte. Im August 1907 war am Wiener Grado, mit dem Lido von Kagran, der Grundstein zu einer Erfolgsgeschichte gelegt worden.

Ein Ausflug in das Gänsehäufel war für den kleinen Mann seinerzeit wie ein Urlaub. Mit der Tramway oder per pedes war es leicht zu erreichen und bot eine kurze und erschwingliche Auszeit. Vor allem während und nach dem ersten Weltkrieg bot es einen Ersatz für die damals übliche Sommerfrische. Viele Menschen konnten sich aufgrund der Armut keinen Urlaub fern der Metropole leisten, das bissl Geld für’s Gänsehäufel war jedoch allemal drinnen.

Das neue Gänsehäufel

Ab dem Jahre 1920 wurde die Infrastruktur deutlich verbessert. Erstmals wurden zwei Telephon-Automaten aufgestellt, weitere Unterhaltungen wurden errichtet und auch eine Wasserrutsche folgte bald. 1927 zählte das Wiener Strandbad bereits stolze 270.994 Besucher. In den Folgejahren sollten es bis zu 400.000 Badegäste werden. 1943, während des zweiten Weltkrieges, erlebte das Gänsehäufel mit 550.000 Gästen noch einen Rekordsommer. Danach folgte die Zerstörung. Erst am 22. Juni 1950 wurde das neue Gänsehäufel nach Plänen der Architekten Max Fellerer und Eugen Wörle eröffnet. Die Insel wurde größer und schöner, und die Wiener und Wienerinnen jubelten und gingen weiter in das warme Wasser der Alten Donau baden.

Quellenachweise: Wiener Vergnügen von Thomas Hofmann und Beppo Beyerl [ISBN: 978-3-222-13646-7]
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