Österreichische Mördergeschichten – Die Mörderin mit dem Engelsgesicht

Adrienne Eckhardt, Fleischwolf
Photo: Patricio Hurtado, Pixabay;

Adrienne Eckhardt wurde am 26. Juli 1929 in Wien geboren. Ihre Eltern Oskar und Paula Eckhardt zogen etwa 1935 zur Mutter von Oskar Eckhardt. Für die damals 6-jährige Adrienne war das Zusammenleben mit der Großmutter nicht besonders angenehm. Die paranoide und später auch entmündigte Großmutter ließ Adrienne immer wieder spüren, dass sie viel lieber einen Enkelsohn gehabt hätte.

Kindheit und Ausbildung

Durch die damalige Wirtschaftskrise verlor auch Vater Oskar seine Position als Bankangestellter. Die kleine Adrienne besuchte indes das Internat “Vom armen Kinde Jesu” in Stadlau. 1938 marschierten die Deutschen ein und die Klosterschule wurde geschlossen. Daraufhin zog die Familie nach Wiener Neustadt, wo der Vater eine Stelle in den dortigen Flugzeugwerken bekam. Auch die Mutter Paula arbeitete in diesen Werken. Adrienne Eckhardt besuchte die Hauptschule in Reichenau an der Rax. 

Nachdem die Flugzeugwerke nach Wien verlegt worden waren, zog auch die Familie abermals nach Wien. Adrienne musste wieder bei der schwierigen Großmutter leben. Nach dem Krieg besuchte Adrienne Eckhardt die Säuglingsschwesternschule in Wien-Glanzing, wo sie im Oktober 1949 ihr Diplom erhielt. Ihre erste Stelle fand sie im Leopoldstädter Kinderkrankenhaus. Ihr Interesse galt jedoch nicht nur den Säuglingen, sondern auch den Ärzten. Schon bald angelte sie sich einen dieser Ärzte und ließ sich von ihm finanziell aushalten. Er sollte nicht der einzige bleiben.

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Der Weg ins Kriminal

Bald schon schnappte sie sich einen Griechen, der später auch bei ihr wohnte. Von diesem wurde Adrienne auch schwanger, verlor das Ungeborene aber durch eine Gelbsucht-Erkrankung. Der griechische Liebhaber löste daraufhin das Verhältnis und Adrienne Eckhardt fand nun den Weg ins Kriminal. Sie versuchte, den Griechen zu erpressen, wurde angezeigt und erhielt damit ihre erste dreimonatige bedingte Haftstrafe. Ihren Beruf als Säuglingsschwester hängte sie an den Nagel und arbeitete als Angestellte in einer Fleischerei. Als man sie aber mit Gelddiebstählen in Verbindung bringt, verliert sie auch diesen Posten wieder. Der Versuch, wieder als Säuglingsschwester tätig zu werden, scheiterte.

Der Abstieg der Adrienne Eckhardt nahm hier ihren Anfang. Sie begann in verschiedenen einschlägigen Lokalen als Bar- und Gesellschaftsdame zu arbeiten. Im November 1952 lief ihr ein alter Bekannter, nämlich Johann Arthold, über den Weg. 

Der berühmt berüchtigte Cadbury König

Johann Arthold besaß im Jahre 1944 einen kleinen Lebensmittelladen in Wien. Als damals die Familie Eckhardt in Wien bei der Großmutter lebte, ging Adrienne Eckhardt in Artholds Geschäft Lebensmittel einkaufen. Das kleine Mädchen musste öfters Besorgungen für die Großmutter erledigen. Johann Arthold hat damals die Portionen, die auf der Einkaufsliste standen, oft mit Extra-Portionen aufgewertet. 

Adrienne’s zweite Begegnungen mit Arthold fand bei einem Pferderennen in der Freudenau im Jahre 1950 statt. Johann Arthold hatte es bis dahin zu etwas gebracht. Er war vom einfachen Lebensmittelhändler zur Wiener Lokalgröße aufgestiegen. Man nannte ihn nun nach einer englischen Schokoladenmarke, der er sein Vermögen verdankte, den “Cadbury König”. 

Durch große Importe von Süßwaren – nicht immer auf legalem Wege – war es Johann Arthold möglich, die Produkte um einiges billiger als seine Konkurrenten zu verkaufen. Schokolade war nach dem Krieg eines der gefragtesten Dinge überhaupt. Während viele Familie, so auch die Eckardts, nach dem Krieg sehr bescheiden leben mussten, lebte Arthold in Saus und Braus. Luxusautos, einen Diener, einen eigenen Rennstall und unzählige Freundinnen versüßen dem reichen Händler das Leben. Der verheiratete Familienvater lebte auf großem Fuß und genoss das einschlägige Nachtleben. Neben seiner Ehefrau “hielt” er sich ein Dutzend Liebhaberinnen. Und auch auf Adrienne Eckhardt hat er damals ein Auge geworfen. 

Immer wieder lädt er Adrienne zum Essen ein, ab und an gingen sie auf einen Kaffee und bei einem Heurigenbesuch tranken sie Bruderschaft. Adrienne Eckhardt sagte der wesentlich ältere Johann Arthold überhaupt nicht zu. Sie störte sich an seiner intelligenten und manierlosen Art. Auch der “Cadbury König” erkannte, dass er bei Adrienne wenig Chancen hatte. Der Kontakt verringerte sich zusehends.  

Ihren Hass und ihre grenzenlose Abneigung gegenüber dem “Cadbury König” entwickelte Adrienne Eckhardt durch einen sonderbaren Vorfall. Eines Tages, etwa gegen Mittag, wollte sie Johann Arthold zu einem Heurigenbesuch bewegen. Sie besuchte ihn in seinem Geschäft, stand jedoch vor verschlossenen Türen. Erst nach langem Klopfen reagierte Arthold und öffnete. Im hinteren Teil des Geschäfts entdeckte Adrienne eine junge Dame, die sie als Prostituierte einstufte. Plötzlich begann Johann Arthold die junge Dame vor den Augen Adrienne’s zu entkleiden, sie anzugrapschen und seine perversen sexuellen Spielchen zu spielen. 

Er versuchte, die völlig verschreckte Adrienne dazu zu bewegen, doch mitzumachen. Als Arthold begann, auch Adrienne unsittlich zu berühren  und sie brutal an den Armen zu packen, verteidigte sich Eckhardt mit einer Ohrfeige. Erst als sie drohte, die Polizei zu rufen, ließ Johann von ihr ab. Sie verließ daraufhin fluchtartig sein Geschäft. Von diesem Zeitpunkt an war es für Adrienne Eckhardt klar, sich an diesem alten, perversen Mann einmal zu rächen. 

Das tödliche Wiedersehen

1952 führte das Schicksal die beiden wieder zusammen. Die mittlerweile in sehr bescheidenen Verhältnissen lebende Adrienne arbeitete seinerzeit im Cafè “Filmhof” als Gesellschaftsdame. Weder besonders schön noch charmant, ist sie als Animierdame nicht gerade erfolgreich. Zu diesem Zeitpunkt hatte auch Johann Arthold seinen geschäftlichen Zenit erreicht. Schokolade war längst keine Mangelware mehr und sein “Königreich” schmolz dahin. Keine Luxusschlitten, Diener und Rennställe mehr. Er war jedoch immer noch Kaufmann und unterhielt einen kleinen Gemischtwarenladen in der Alser Straße. 

Adrienne ist aufgrund ihrer Schulden und ihrer schlechten finanziellen Lage angeschlagen. Ihre Situation schien ausweglos. Als eines Tages Johann Arthold das kleine Cafè besuchte, wandte sie sich verzweifelt an ihn. Sie wollte als Angestellte in seinem Geschäft arbeiten, Arthold lehnte jedoch ab, machte ihr aber ein ganz anderes Angebot. Adrienne solle ihn doch zum Heurigen begleiten. Sie nahm an.

Am 21. November 1952 kam Adrienne Eckhardt in Johann Artholds Geschäft. Es war der Tag des vereinbarten Heurigenbesuchs. Johann Arthold versuchte wieder, die 23-jährige dazu zu bewegen, mit ihm intim zu werden. Adrienne wies ihn abermals ab, begleitete ihn jedoch trotzdem zum Heurigen. Sie fuhren nach Grinzing, nahmen einige Viertel Wein zu sich. Die Stimmung war ausgelassen und Adrienne gab in wohl beschwipsten Zustand  Arthold einen Kuss auf die Wange. Die beiden verließen den Heurigen und fuhren mit der Tramway der Linie 38 zurück in die Alser Straße. Es war etwa Mitternacht.

Gegen 01:20 Uhr kam ein Polizist an Artholds Gemischtwarenladen vorbei. Der Rollladen war nur zur Hälfte geschlossen. Er betrat den Laden und zuckte entsetzt zurück, als er im hinteren Teil der Lokalität eine übel zugerichtete Leiche vorfand. Es war der ehemalige “Cadbury König” –  mit eingeschlagenem Schädel und aufgeschlitzter Kehle. Er lag in einer großen Blutlache.

Die große Suche nach dem Mörder

Aufgrund der Brutalität des Verbrechens schließen die Ermittler in erster Linie auf einen männlichen Täter. In der Manteltasche des Toten findet die Polizei zwei Fahrscheine der Linie 38. Die Fahrt startete in Grinzing. Die Schaffnerin des Zuges konnte ausfindig gemacht werden und sie gab an, daß Johann Arthold in  Begleitung einer “blonden Dame im Pelz” war. Fieberhaft wird nach vermeintlichen Zeugen gesucht. 

Zufällig kam es bei zwei Prostituierten zu einer Einvernahme wegen eines Diebstahls. Die beiden Prostituierten beschwerten sich bei den Beamten, dass sie sich doch um wichtigeres kümmern sollten als um einen belanglosen Diebstahl. Der Mord am “Arthold Hansl” sollte lieber aufgeklärt werden. Diese Aussagen machten die Beamten stutzig und sie bombardierten nun die beiden “leichten Damen”  mit Fragen.  Es stellte sich heraus, dass die beiden Prostituierten natürlich nicht nur Arthold kennen, sondern auch seine Begleitung, die “blonde Dame im Pelz”. Diese arbeitet nämlich im Cafè “Filmhof” und wird “Adi” gerufen.

Adrienne Eckhardt wurde ausgeforscht und am 23. November als Zeugin zur Vernehmung abgeholt. Den Beamten fielen bei der Abholung jedoch sofort verdächtige Flecken an der Kleidung der jungen Frau auf. Und tatsächlich ergaben die gerichtsmedizinischen Untersuchungen, dass das Blut von der gleichen Blutgruppe wie jener von Arthold stammte. 

Das Geständnis

Ruhig und gefasst ließ Adrienne Eckhardt die Einvernahme über sich ergehen. Sie sagte aus, mit Johann Arthold beim Heurigen gewesen zu sein, sie bestritt jedoch vehement das Geschäft betreten zu haben. Sie habe vor dem Geschäft gewartet, Johann soll ihr noch ein Paket übergeben haben. Danach sei sie nach Hause gegangen. Laut Gerichtsmedizin ließ sich aber Eckardts erste Aussagen nicht mehr aufrechterhalten. 

In ihrer zweiten Version gestand sie, das Geschäft doch betreten zu haben. Sie und der “Cadbury König” sollen noch etwas getrunken haben. Plötzlich soll ein unbekannter, etwa dreißigjähriger Mann, mittelgroß, schlank und mit einem Dufflecoat bekleidet, an der Türe geklopft haben. Arthold habe den Mann begrüßt und beide zogen sich in den hinteren Teil des Geschäftes zurück. Adrienne selbst habe einstweilen die Türe wieder verriegelt. Der große Unbekannte soll dann Geld von Arthold verlangt haben und als dieser ihm keines geben wollte, soll der Unbekannte etwas aus der Manteltasche gezogen haben und auf Johann Arthold eingeschlagen haben. Arthold sackte regungslos auf den Boden.

Des Weiteren soll der unbekannte Mann Eckhardt befohlen haben, Arthold umzudrehen. Völlig geschockt und wie in Trance soll sie den Aufforderungen des Täters Folge geleistet haben. Er befahl ihr, ein Messer zu holen;  damit soll der Unbekannte dann versucht haben, Johann Arthold die Kehle zu durchschneiden. Er habe das Mädchen danach aufgefordert, die Mordutensilien zu reinigen und in ihrer Handtasche wegzubringen. Beim Verlassen des Geschäftes sollte Adrienne nicht schreien. Sie tat alles, was er ihr sagte und verließ das Geschäft. Der Täter blieb angeblich im Laden zurück und soll noch Gegenstände am Waschbecken gereinigt haben. 

Nach dieser unglaublichen Aussage stieg das Interesse der Bevölkerung am Mordfall des “Cadbury Königs”. Ganz Wien begab sich plötzlich auf die Suche nach dem mysteriösen Mörder im Dufflecoat. Eine wahre Hysterie brach damals in Wien aus. Aber die Kriminalbeamten glaubten die Geschichte der Adrienne Eckhardt nicht. Durch eine scheinbar harmlose Frage tappte Adrienne letztendlich in die Falle. Der Leiter der Mordkommission wollte von Eckhardt wissen, ob sie denn das Licht ausgeschaltet habe, als sie den Laden verließ. Sie bejahte diese Frage. Daraufhin wollte die Beamten wissen, warum denn der Unbekannte im finsteren Geschäft zurückgeblieben sei, wo er doch noch einige Dinge zu erledigen hatte. 

Adrienne Eckhardt bemerkte zu diesem Zeitpunkt, dass sie sich in einige Irrtümer verstrickt hatte. Schließlich gestand sie den Raubmord an Johann Arthold und erläuterte den Beamten alle Details. Als Tatmotiv gab sie den sonderbaren Zwischenfall im Sommer 1950 an. An diesem Tage wollte Johann Arthold sie zu perversen sexuellen Handlungen im Beisein einer Prostituierten bewegen. Sämtliche Beweismittel wurden gesichert, als Tatwaffe diente ein Fleischwolf, mit diesem hat Adrienne Eckhardt auf ihr Opfer eingeschlagen. Adrienne hält die Beamten weiterhin am Schmäh

Anfang Feber 1953 stellte ein Arzt im Untersuchungsgefängnis eine Schwangerschaft bei Adrienne Eckhardt fest. Daraufhin widerrief Adrienne ihre bisherige Aussage. Sie gab an, den wahren Mörder zu kennen und tischt eine kuriose Geschichte über einen Mann namens “Konstantin Bertini” auf.  Er soll Johann Arthold erschlagen haben. Adrienne lernte Bertini als Gesellschaftsdame im “Moulin Rouge” kennen. Er habe ihr einen Job angeboten, allerdings in einer ganz anderen Branche. Bertini soll mit Drogen gehandelt haben, unter anderem mit Morphin. Adrienne Eckhardt soll weiters ein Verhältnis mit Konstantin Bertini gehabt haben, wohingegen Arthold Schulden bei Bertini gehabt haben soll, daher sei Bertini in der Tatnacht in das Geschäft in der Alser Straße gegangen und habe Arthold erschlagen, weil er eben seine Schulden nicht begleichen konnte. 

Der Staatsanwalt glaubt der Geschichte nicht. Ermittlungen über Bertini laufen ins Nichts. Ein “Konstantin Bertini” ist nicht aufzufinden. Eckhardt kann zudem keine Aussagen über die Adresse Bertinis machen, obwohl sie doch ein Verhältnis mit ihm gehabt haben soll. Auch weiss niemand so recht, warum Bertini einen Fleischwolf bei sich tragen sollte, um damit Johann Arthold erschlagen zu können. 

Am 23. März 1952 begann die Hauptverhandlung. Am 25. März geschah eine weitere kleine Sensation. Ein Häftling des Gefangenenhauses meldete sich, er möge Bertini kennen. Er gibt an, eine Adresse eines Mittelmannes zu kennen, denn Bertini sollte ihm gefälschte Pässe besorgen. Dazu kam es aber nicht, da er vorher verhaftet wurde. Der Vorsitzende bleibt unbeeindruckt und zeigt kein Interesse an dieser weiteren dubiosen Geschichte. Und damit kam es eigentlich schon zu einer Vorverurteilung Adrienne Eckhardts. 

Die Verurteilung

Am späten Abend desselben Tages verkündeten die Geschworenen einstimmig das Urteil. Adrienne Eckhardt ist des meuchlerischen Raubmordes an Johann Arthold im Sinne der Anklage schuldig. Die “Mörderin mit dem Engelsgesicht” wird zu lebenslanger schwerer Haft verurteilt. Erschwerend kam die besondere Rohheit bei der Ausführung der Tat hinzu. 

Ihr Anwalt Dr. Stern geht in die Berufung und hat damit teilweise Erfolg. Am 2. Juli bestätigte das Höchstgericht den Schuldspruch aus erster Instanz, unter Berücksichtigung der Jugend der Angeklagten und den ungünstigen Einflüssen des Elternhauses wurde das Strafmaß auf 20 Jahre herabgesetzt. Dr. Stern unternahm noch weitere Versuche um Wiederaufnahmeanträge, blieb jedoch erfolglos. 

Noch vor Ablauf der 20-jährigen Frist erhielt Adrienne Eckhardt eine zweite Chance. Anlässlich einer Weihnachtsamnestie wurde sie 1967 frühzeitig aus der Haft entlassen. Der Strafrest wurde ihr mit einer Probezeit bis 1973 bedingt erlassen. Adrienne Eckhardt erhielt einen neuen Namen und kam angeblich bei Bekannten in Oberösterreich unter. Über ihr weiteres Leben ist nichts bekannt. 

Quellennachweisen: Mord: Die spektakulärsten Mordfälle Österreichs (2005) von  Andreas & Regina Zeppelzauer, [ISBN-13: 978-3853652152]; cadbury.co.uk
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