Panoptikum Europa – Rom

Rom
Rom - Forum Romanum 1850; v. Lüdemann u. Witte 1837
Rom – Nähert man sich auf der Campagna der Ewigen Stadt, so taucht von Ferne aus dem Tiber-Thal die Riesenkuppel von St. Peter wie ein Wunder der Natur empor. Nach und nach erscheint Rom am Horizont. Endlich erblicken wir Ponte molle, der den Tiber kurz vor Rom überspannt. An dieser Stelle ergreift uns die Ahnung mächtig, in Rom zu sein. Der gelbe Tiber unter uns, die im Abendroth goldglänzenden Berge Sabinums, das Triumphthor am Ende von Ponte molle rufen es uns zu! Jenseits der Brücke reichen wir das Ziel der Sehnsucht von Millionen mittelalterlicher frommer Pilger, das Ziel aller Kunstjünger des heutigen Europa.

Der Name Rom ist noch heute wir vor 2000 Jahren ein Zauberwort – in Rom gewesen zu sein, macht unserm Gefühl Ehre und giebt unserm Geschmacksurtheil Gewicht! Rom, von dem Horaz in seinem feierlichsten Gedichte singt: “dass die Sonne den Erdball umkreisend, nichts Grösseres sehen könne als Rom” – Rom, von unzähligen Federn verherrlicht, gepriesen, von allen Dichtern Europas’ in allen Sprachen besungen, diese Ewigherrschende ist in mehr als einem Betracht noch immer die Hauptstadt der Welt zu nennen. Der grössere Theil der Christenheit blickt verehrend auf Rom als heilige Stadt, und die Welt der Kunst nennt Rom noch immer ihre geistige Hauptstadt.

Rom zählt jetzt 36.000 Häuser und Hütten, und in ihnen, der neuesten Zählung nach, 153.900 Einwohner. Der Bevölkerung nach ist Rom noch die zweite Stadt Italiens. An Bedeutung für Kunst und Geschichte hat ihr aber noch keine Stadt der Erde den ersten Rang streitig gemacht. Und in der That: was sind Paris und London, Wien und Petersburg mit Rom verglichen, dessen Donner zugleich am Euphrat und in Britannien wiedertönte, dessen Schlachtruhm die bekannte Welt unterwarf, dessen Blitze im Mittelalter die Kaiser schreckten, in dem jeder Fuss breite Raum ein weltgeschichtlicher Punkt ist? Die geistige Geschichte der europäischen Menschheit, also wohl der Menschheit überhaupt, wurde in diesen Mauern vollendet! – St. Peter streitet sich mit dem Forum Romanum um den Anspruch auf den ersten Besuch des Fremden in Rom.

Der St. Peters-Dom ist die grösste und schönste Kirche der Christenheit; er ist wie eine Stadt für sich. Ganz Rom, die ganze Colonie der Fremden geht hier allmählig aus und ein. In der Charwoche verlieren sich oft 80.000 Menschen in dieser unermesslichen Halle. – Von den alten Brücken Roms ist die Engelsbrücke – von Hadrian gegründet und in drei grossen und zwei kleinen Bogen geöffnet – in ihren wesentlichen Theilen antik und die schönste. Die Engelsburg, das Grabmal Hadrians, ist ein gewaltiger runder Thurm, von der Statue des Erzengels überragt. Von hier führt ein bedeckter Gang zum Vatican. – Bramante, Rafael, San Gallo, Ligorio, Carl Moderno und Bernini waren die Erbauer des vaticanischen Riesenpallastes, der schon vor Constantin begonnen sein soll und der nun 11.246 Gemächer, 20 Höfe und 208 Treppen zählt.

Hier empfängt uns zuerst die Scala regia mit den grossen Fresken der Zuccari und Salviatis. Die Sixtinische Capelle enthält das grösste Werk der neuern Malerei, Michel Angelo Buanarrotis “jüngstes Gericht”, gross und unvergleichlich in jeder Beziehung. – Der Anblick des Forum Romanum bietet immer noch genug des Alten, um der Phantasie die Reconstruction des Ganzen möglich zu machen. Die Franzosen hatten die Ruinen zuerst enthüllt und vom Schutt gereinigt, so gaben sie Rom seinen grössten Reiz wieder. Stille ruht nun über diesem Platz, einst der Mittelpunkt der civilisirten Welt, wo die Loose der Länder und Völker gezogen wurden. – Das Pantheon des M. Agrippa, 26 v. Chr. vielleicht von Vitruv erbaut, zeigt die Blüthe der römischen Kunst in ihrer schönsten Zeit. Der Tempel, allen Göttern geweiht, empfängt ein magisches Licht durch eine Oeffnung im Gewölbe. Das Pantheon mit seiner Rotunde von 142 Fuß Druchmesser ist einzig. 

v. Lüdemann u. Witte 1837

Alle Texte sind in alter Schreibweise wiedergegeben und großteils unverändert. Die Bilder dienen als zeitgenössische Kommentare und entstammen demselben Werk. 

LÜDEMANN, W. von, und C. Witte, Carl Frommel’s pittoreskes Italien, Leipzig 1837
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