Melange, Kapuziner oder eine Schale Gold

Cafè Central
Cafè Central, Wien; Photo: Bildarchiv Austria

In Wien kann man nicht einfach in ein Kaffeehaus gehen und “einen Kaffee” bestellen. Das Wiener Kaffeehaus ist eine Institution und hat eine sehr lange Tradition. Schon vor dem Aufkommen moderner Kaffeemaschinen und dem aus Italien zu uns geschwappten “Espresso” entwickelte sich in Wien eine ganz spezielle Kaffeehauskultur, die es weltweit nirgends anderswo gegeben hat und geben wird. Nirgends gab es bei Kaffee so eine Vielzahl an Sorten, Zubereitungsarten und Farben wie im alten Wien. 

Auf die Größe kommt es an

Das Größenmaß ist beim Bestellen von Kaffee ausschlaggebend. So war eine “Nußschale” das kleinste Kaffeegetränk, ein “Piccolo” das mittlere Größenmaß und eine “Teeschale” das größte Größenmaß. Ein “Pikkolo” darf in diesem Zusammenhang aber nicht mit dem damals gleichnamigen Zuträgerlehrling verwechselt werden. Und auch muß man wissen, daß man in Wien unter einer Tasse die Untertasse versteht. Wenn man also eine Teeschale mit Tee bestellen wollte, hieß das “eine Schale Tee”.

Ebenso ein Eckpfeiler des Wiener Kaffeehauses ist die Zubereitungsart. Die Art wie mit der Espresso-Methode nach dem Krieg Kaffee zubereitet wurde, hat nichts mit traditionellem Kaffeekochen gemein. Heutzutage muss man allerdings einen “normalen” Kaffee, wie man ihn in Österreich allgemein gerne trinkt, extra bestellen, wenn man denn überhaupt noch einen echten gekochten Kaffee bekommt. Aber genau dieses normale kochen von Kaffee auf “Wiener” oder “Karlsbader” Art, ist es, was das Wiener Kaffeehaus seinerzeit ausmachte. 

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Herr Ober, bringens mir eine Melange

Doch dem Ruhm des Wiener Kaffees liegt die Vielzahl an möglichen Bestellungen zugrunde. Der Klassiker, den es nur in Wien gab, ist eine “Melange”. Dann gab es noch den “Kapuziner”, den “Braunen” und die “Schale Gold”. Wie schon in den Bezeichnungen zu erkennen ist, handelt es sich dabei immer um das Mischverhältnis von Kaffee und Milch. Bei der “Melange” liegt dies zu gleichen Teilen, bei der “Schale Gold” mit einem deutlichen Übergewicht der Milch, beim “Braunen” mit einem deutlichem Übergewicht des Kaffees. Daneben gibt es noch den “Schwarzen” oder den “Mokka”, die beide wohl keinerlei Erklärung bedürfen. Der “Einspänner” beispielsweise ist “Schwarzer” im Glas mit sehr viel Schlagobers. Dann gab es auch noch den “Mazagran”, ein “Mokka”, der mit Eiswürfeln gekühlt und mit Rum versetzt wurde. Die Vielzahl an Variationen schien in Wien schier unbegrenzt zu sein. Je nach Vorlieben und Geschmack des Gastes gab es so ziemlich jede Farbnuance zu bestellen. Eine weitere Wiener Eigenheit bei der Bestellung waren die Worte “mehr licht”  (heller) oder “mehr dunkel” (dunkler), die dem Ober die Anpassung der gewünschten Farbnuancen mitteilten sollte. 

Erzählungen zufolge gab es damals im Cafè Herrenhof einen übereifrigen Kellner, der stets eine Lackiererfarbskala mit zwanzig nummerierten Brauntönen bei sich trug. Als Gast konnte man anhand dieser Skala seinen Wunschkaffee bestellen. Sowas gab es wohl nur in Wien.

Heute gibt`s das nicht mehr

Darüber hinaus gab es noch regionale Spezialitäten, die in gewissen Kaffeehäusern für spezielle Gäste zubereitet wurden. Da gab es beispielsweise den “Sperbertürken”. Ein doppelt starker mit Würfelzucker aufgekochter türkischer Kaffee (“Türkischer”), wie er anno dazumals vom Advokaten Dr. Hugo Sperber gerne vor langen Verhandlungen zu sich genommen wurde. Weiters gab es dann noch den “überstürzten Neumann”, dessen Erfindung wohl auf einen Stammgast zurückgeht, der Neumann geheissen haben muss. Normalerweise wird das Schlagobers auf den fertigen Kaffee serviert. In diesem Falle jedoch wird das Schlagobers zuerst auf den Schalenboden gegeben und dieses danach mit heißem Kaffee “überstürzt”. 

Heutzutage besitzt kaum ein Kaffeehausgast noch ein Kaffeehausober die Kenntnis über all diese Nuancen und Finessen aus der damaligen Zeit. Die Altwiener Kaffeehaustradition ist bedauerlicherweise fast ausgestorben und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von den modernen Espressos mit ihren Espressomaschinen überrannt. Die Zeit wurde schnelllebiger, man trank den Espresso hastig und oft im Stehen. Anfänglich gab es in diesen neuen Espressos kaum Sitzgelegenheiten. Über die Jahre hat sich aber auch dort die alte Tradition wieder langsam eingeschlichen und die trostlosen Espressos wurden gemütlicher. Allen Veränderungen zum Trotz blieben viele echte Kaffeehäuser bestehen und bestehen teilweise sogar heute noch. Also ganz totzukriegen ist sie nicht, die Wiener Kaffeehauskultur.

Quellenachweise: wiener-kaffeehaus.at; Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten von Friedrich Torberg, CW Niemeyer Verlag, [ISBN: 3-8271-1966-9]
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